„Mit einem Herzen voller unendlicher Liebe für diejenigen, die mich verachteten, wanderte ich weit weg. Viele, viele Jahre lang sang ich Lieder. Jedes Mal, wenn ich versuchte, von der Liebe zu singen, verwandelte es sich in Schmerz. Und wieder, als ich versuchte über den Schmerz zu singen, wurde daraus Liebe.“ Franz Schubert 1822

Ein Leben mit „Die schöne Müllerin“

1986 war ich 20 Jahre alt und hatte mich entschieden, mich für die Gesangsklasse der Königlichen dänischen Musikhochschule in Kopenhagen zu bewerben. Ich besuchte eine Professorin von der Musikhochschule, Kirsten Hermansen, um mit ihr das Vorsingen zu vorbereiten. Sie gab mir sechs Gesangs-Stücke zum Üben und meinte, dass ich 18 Monate gebrauchen würde, bevor ich so weit wäre, dass ich mich vorstellen könnte.

Ich übte fleißig, aber konnte mir gar nicht mit 6 Stücken genügen. So insgeheim lernte ich auch Franz Schuberts Liederzykeln, Die schöne Müllerin, Die Winterreise und Schwanengesang, Schumanns Dichterliebe und Liederkreis Op. 39, so wie eine Menge andere schöne Werke.

Besonders Die schöne Müllerin, mit dem jungen freudigen Müller, der einem Bach folgt, er kommt zu einer Mühle, verliebt sich ungestüm in die Müllertochter, hofft auf die Liebe, wird furchtbar enttäuscht, als sie den Jäger sieht, und der sich am Ende mit gebrochenem Herz in dem lieben Bach ertrinkt, sprach direkt zu mir.

 

Mein Vorsingen in 1987 war erfolgreich, und ich durfte später im Jahr das Gesangsstudium anfangen. Schon am Jahr danach, ergab sich eine Möglichkeit, die ganze schöne Müllerin im Konzert zu singen.

Die Konzertpianistin Therese Koppel nahm mich unter ihren Flügeln, übte fast ein ganzes Jahr jede Woche mit mir. Ich lernte nicht nur die zwanzig Lieder nach außen und nach innen, sondern auch die Freude des gemeinsamen Musizierens kennen, einen Impuls zu empfangen, darauf zu reagieren und ihn zurückzuschicken. Auch lernte ich, wie man ein großes Werk Struktur gibt, wie man die Konzentration hält.

Das Konzert war ein sehr schönes Erlebnis. Später habe ich mit dem wunderbaren Tenor Ernst Haefliger die Lieder intensiv durchgearbeitet, und über die Jahre ist Die schöne Müllerin zusammen mit Die Winterreise, wohl das Werk, das ich am meisten im Konzert gesungen habe, und das meinem Herzen am Nächsten liegt.

Als unser Goldvögel-Gitarrist Guy Woodcock vorgeschlagen hat, dass wir für die Abendempfindungs-Konzertserie ein gemeinsames Schubert-Konzert machten, habe ich sofort an Die schöne Müllerin gedacht.

Zusammen mit dem Gitarristen Victor Santana hat Guy Woodcock die Klavierstimme für zwei Gitarren arrangiert. Nicht jeder hatte ein Klavier zu Schuberts Zeit, aber fast ein jeder eine Gitarre. Franz Schubert spielte selbst auch die Gitarre und arrangierte viele seiner Lieder für das schöne Instrument.

Inzwischen sind 10 Jahre verlaufen, seit ich zum letzten Mal das schöne Müllerin-Universum besuchte, ich habe die Lieder noch nie mit Gitarren-Begleitung gesungen, ich freue mich und bin sehr gespannt.

Franz Schubert

Franz Schubert wurde 1797 in Wien geboren und starb dort 1828 im Alter von 31 Jahren. Sein Vater war Lehrer und Musiker, und Schubert zeigte schon früh Anzeichen einer besonderen musikalischen Begabung.

Er sang, spielte Klavier, Violine und Bratsche, im Streichquartett mit seinen Brüdern und seinem Vater und begann schon früh, eigene Werke zu komponieren.

Franz Schubert hatte ein komplexes Wesen, er war ein depressiver Einsiedler, der gleichzeitig von einem engen Freundeskreis hochgeschätzt wurde.

Er war ätherisch und überempfindlich und hatte im Allgemeinen eine melancholische Stimme, die sich gelegentlich mit sehr guter Laune abwechselte. Er hatte eine sehr poetische Veranlagung, neigte aber auch dazu, mit oppositionellen politischen Kreisen zu tun zu haben, und entging nur knapp der Verhaftung bei einer Razzia der Dissidentenvereinigung im Jahr 1826.

Seine Freunde nannten ihn liebevoll Schwammerl, kleiner Pilz, eine Anspielung auf seine sehr geringe Körpergröße (1,50 m) und auch auf seine Fähigkeit, enorme Mengen Alkohol zu konsumieren.

Vielleicht war er ein Schürzenjäger, vielleicht war er tatsächlich schwul.

Sicher ist jedenfalls, dass er wahrscheinlich 1822 an Syphilis erkrankte und nach einer Behandlung mit giftigem Quecksilber unter schwerer Migräne und vielen anderen gesundheitlichen Problemen litt.

Im November 1828 erkrankte er schwer und starb nach einigen Wochen Bettruhe, vielleicht an Typhus, vielleicht an Syphilis im 3. Stadium.

Schuberts Kompositionsdrang war enorm. Ohne jemals eine feste Anstellung als Komponist zu haben oder Aufträge zu erhalten, schrieb er in Eigenregie über 1.500 Werke, darunter über 600 Lieder, Lieder mit Klavierbegleitung.

Im Jahr 1815, seinem produktivsten Jahr, schrieb er neben einer vollständigen Symphonie und neun Kirchenwerken nicht weniger als 140 Lieder, wobei er manchmal acht Lieder pro Tag komponierte. Aus diesem Jahr stammen die Meisterwerke „Erlkönig“ und „Gretchen am Spinnrade“ nach Gedichten Goethes.

Zu seinen Lebzeiten kam Schubert in der Welt nicht weit. Erst 1828 gab Schubert mit einem kompletten Konzert mit eigenen Werken in Wien sein eigentliches Debüt als Komponist. Im Gegenzug wurde er posthum als einer der größten klassischen Komponisten aller Zeiten geliebt und respektiert.

1823 schrieb Schubert „Die schöne Müllerin“, ein Werk mit 20 Liedern nach Gedichten des Zeitgenossen Wilhelm Müller. Es ist der erste Liederzyklus der Musikgeschichte.  1827 schrieb Schubert mit „Winterreise“ einen weiteren Liederzyklus und wiederum auf Gedichte von Müller. Nach Schuberts Tod wurden 14 zurückgelassene Lieder nach Gedichten von Ludwig Rellstab, Heinrich Heine und Johann Gabriel Seidl gemeinsam unter dem Titel „Schwanengesang“ veröffentlicht. Die 14 Lieder gelten allgemein als dritter Liederzyklus und werden sehr oft zusammen aufgeführt.

Diese ersten Werke der Gattung Lied-Zyklus gehören auch zu den umfangreichsten Werken der Gattung Lied überhaupt. Schubert hatte eine besondere Fähigkeit, sensible Süße und Traurigkeit musikalisch zu beschreiben, gleichzeitig sind viele der Lieder in Winterreise und Schwanengesang auch in ihrer Form und Harmonie haarsträubend avantgardistisch.

Wilhelm Müller 

Wilhelm Müller wurde 1794 in Dessau in Sachsen-Anhalt geboren und starb 1827, nachdem er an Keuchhusten und einem Herzinfarkt am selben Ort gelitten hatte.

 Müller kam etwas weiter als Schubert, er war Leutnant der preußischen Armee in den Napoleonischen Kriegen, er studierte in Berlin und war Teil eines literarischen Salons, an dem auch Achim von Arnem, Clemens Brentano und Ludwig Tieck teilnahmen. Er war auch mit dem Komponisten Carl Maria von Weber befreundet. Müller war politisch sehr engagiert und veröffentlichte unter anderem Gedichte in der verbotenen Zeitschrift Urania. Durch den illegalen Kauf der Zeitschrift lernte Schubert erstmals Müllers Winterreise-Gedicht kennen. Eine Spezialität Müllers war das politische Volkslied, er engagierte sich besonders im griechischen Freiheitskampf und wurde im Volksmund „Griechen-Müller“ genannt.

Er veröffentlichte zwei Gedichtbände mit dem Titel „Sieben und siebzig Gedichte aus den hinterlassenen Papieren eines reisenden en Waldhornisten“. Die Lieder aus „Die schöne Müllerin“ stammen aus dem ersten Band von 1821 und die Lieder aus „Winterreise“ aus dem zweiten Band von 1824.

Obwohl Müllers Gedichte von vielen bedeutenden Komponisten vertont wurden, neben Schubert u.a. von Brahms, Meyerbeer, Max Reger und Louis Spohr war die Nachwelt nicht so freundlich zu seinen Gedichten, die oft als mittelmäßig und sentimental gelten.

Dieselbe Nachwelt, die Schuberts Lieder als die großartigsten überhaupt ansieht, stellt jedoch fast einhellig fest, dass sie sich keine passenderen Gedichte für Schuberts Genie vorstellen kann. Es regt zum Nachdenken an. Wahrscheinlich hat Müller Schuberts Lieder zu seinen Gedichten nie gehört.